Innovationstreiber Blockchain?
Die Blockchain-Technologie verändert grundlegende Strukturen in der Finanzwelt und in einer Vielzahl anderer Branchen. Vor allem am Markt leicht zu standardisierender Finanzprodukte und in technologiebasierten Unternehmen finden Blockchains zunehmend Anwendung und verändern mit großer Dynamik den Wettbewerb um Kunden und Marktanteile. Doch wie genau diese Technologie funktioniert und welche Einsatzmöglichkeiten, Marktpotenziale, Herausforderungen und Risiken sie mit sich bringt ist derzeit vielerorts Diskussionsgegenstand.
Vor diesem Hintergrund stand das Thema Blockchain im Mittelpunkt der siebten Kapitalmarktkonferenz der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, des Finanzplatz Hamburg e.V., der Handelskammer Hamburg und des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) am 18. Mai 2017 in der Handelskammer Hamburg.
Unter anderem erläuterte Jannis Holthusen, Gründer und CEO der Upchain GmbH in seinem Auftaktvortrag das Konzept der "Blockchain in 20 Minuten". Was man dazu in zwei Minuten sagen kann, können Sie dem Interview mit der Handelskammer Hamburg entnehmen.
Im weiteren Programm folgten Impulse von Dr. Ingo Fiedler vom Blockchain Research Lab der Universität Hamburg, Dr. Michael Merz von der Ponton GmbH und Jan Paulick aus der Hauptgruppe „Zahlungsverkehrsbeobachtung
und Wissens-Management im Zahlungsverkehr“, der Deutsche Bundesbank sowie eine Podiumsdiskussion mit allen Referenten. Die Präsentationen aller Referenten finden Sie in unseren Downloads.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Henning Vöpel vom HWWI.
Im Rahmen der Veranstaltung konnten mittels eines digitalen Tools Fragen gestellt werden. Da die Zeit für Beantwortung der Vielzahl an Fragen im Rahmen der Podiumsdiskussion nicht ausgereich hatte, haben wir die Referenten im Nachgang der Veranstaltun gebeten, einige der Fragen per E-Mail zu beantworten. Die eingegangenen Antworten finden Sie hier:
Q: Wie kann die Realwirtschaft die Blockchain nutzen?
Die Realwirtschaft hat viele Anwendungsfälle von Blockchain. Hierzu gehören unter anderem Zahlungabwicklung von Cross Border Geschäften, Mikrotransaktionen bei Pay per Use Angeboten oder Herkunftsnachweise von Produkten oder Lizenzmanagement. (Dr. Ingo Fiedler)
Q: Ist die Blockchain ein naiver hyper? Was sind, bzw. könnten Risiken und Nebenwirkungen sein?
Auch wir sind noch in der Experimentalphase. Man tastet sich dabei an interessante Geschäftsmodelle heran, aber es ist schwierig deren genaue Ausprägung zu erkennen. (Dr. Michael Merz)
Q: Ist eine eigene Blockchain die Zukunft - oder doch eher smart contracts mit verschlüsselten Daten auf z.B. der offenen ETH Chain?
Die Entscheidung für eine proprietäre Blockchain oder aber die Verwendung einer bestehenden offenen Lösung hängt von dem jeweiligen Anwendungsfall ab. Die Vorteile der offenen Lösung sind maximale Transparenz, die geringeren Implementierungskosten, die geringeren laufenden Kosten für die Administration des Systems. Die Nachteile sind höhere Kosten bei Transaktionen (Proof of Work oder Transaktionsgebühren), die Abhängigkeit von Externen und die tendenziell geringere Skalierbarkeit und Geschwindigkeit. Eine grobe Daumenregel: Sind die Teilnehmer bekannt und vertrauen sich gegenseitig, dann ist eine eigene Lösung sinnvoller – ansonsten eine bestehende offene Lösung. (Dr. Ingo Fiedler)
Q: Welche Konzepte verwenden Sie um eine ähnliche gefährliche Miner Konzentration wie sie bei BTC statt findet zu vermeiden?
Wir verwenden „Proof of State“ statt „Proof of Work“, so dass “Mining” gar nicht erforderlich ist. Es handelt sich um eine Konsortial-Blockchain. (Dr. Michael Merz)
Q: Wie sehen Sie die Rolle von Entwicklungs- und Schwellenländern als Innovationstreiber der Blockchain-Anwendungen (siehe MPeso in Kenya)?
Entwicklungs- und Schwellenländer haben insbesondere bei dem Währungsaspekt von Blockchainlösungen einen größeren Bedarf als Industrienationen. Daher könnte von dort ein Innovationsdruck in diese Richtung ausgehen. Bei anderen Themen wie zum Beispiel einer Machine Based Economy wird die Innovation hingegen aus den weiter entwickelten Ländern kommen. (Dr. Ingo Fiedler)
Q: Hat die Bundesbank ein eigenes Interesse, die Blockchain Technologie zu nutzen (Innovationstreiber), oder muss sie, da die Technologie ihre Bedeutung schwächt?
Als Betreiber und Überwacher von Finanzmarktinfrastrukturen reicht es nicht nur auf Innovationen zu reagieren. Vielmehr muss man sich frühzeitig mit neuen Technologien beschäftigen, um einerseits das Potenzial für eigene Anwendungen zu evaluieren und andererseits, um Chancen und Risiken einschätzen zu können. Eine neue Technik versteht man am besten, wenn man selbst mit ihr experimentiert, weshalb die Bundesbank gemeinsam mit der Deutschen Börse eine Blockchain-basierte Konzeptstudie entwickelt hat. Eine Schwächung unserer Rolle, etwa durch Anwendungen wie Bitcoin, sehe ich nicht. Unser Leitmotiv ist und bleibt vielmehr das Streben nach Verbesserungen der Marktinfrastruktur. Nicht als Selbstzweck, sondern mit dem Ziel, sowohl die IT-Systeme als auch die Prozesse weiter zu optimieren. (Jan Paulick)
Q: Entzieht Blockchain durch seine P2P-Möglichkeit nicht viele Handelsprozesse der staatlichen Kontrolle? Und schafft unkontrollierbare Organisierte Kriminalität?
Durch die lückenlose Transparenz sind fast alle Blockchainlösungen unbrauchbar für die organisierte Kriminalität. Lediglich auf vollständige Anonymität ausgerichtete Anwendungen wie Monero oder Zcash sind für die organisierte Kriminalität von Interesse, aber noch deutlich zu klein, um eine Rolle zu spielen. Alle anderen Spieler müssen sich ohnehin an staatliche Kontrollen und aufsichtsrechtliche Vorschriften halten – ob sie ihre Geschäfte nun mit oder ohne Blockchain abwickeln. Von daher werden Handelsprozesse nicht der staatlichen Kontrolle entzogen werden. Vielmehr stellt sich die Frage, ob eine Kontrolle auf Blockhainbasis nicht transparenter und effizienter gestatltet werden könnte. (Dr. Ingo Fiedler)
Q: Ist die Blockchaintechnologie beinahe schon "zu demokratisch" für die Masse? (Abschreckung des Kunden durch zu viel Eigenverantwortung)
Die aktuellen Blockchainlösungen sind aus technischer Sicht oftmals noch zu anspruchsvoll für den Endkunden. Dies wird sich im Zeitablauf ändern, wenn Anwendungen auf Blockchains entwickelt werden und wiederum Anwendungen auf diesen Anwendungen (Layer of Innovation). Beim Internet hat es auch viele Jahre gedauert, bis jeder Endkunde das TCP/IP Protokoll nutzt – ohne überhaupt zu wissen, dass er es benutzt. (Dr. Ingo Fiedler)
Q: Gibt es Überlegungen zu den zukünftige Blockchain-Technologien, die weniger Energie verbrauchen. Wie sieht die aus? Und ist das dann noch Blockchain?
Der hohe Energieverbrauch von offenen Blockchains wie Bitcoin oder Ethereum speist sich aus dem hohen Bedarf an „Proof of Work“, um die Transaktion sicher zu machen. Geschlossene Lösungen haben dieses Problem nicht. Die Herausforderung ist es daher, ein offenes Sstem zu entwickeln, dass mit deutlich weniger Stromverbrauch auskommt. Dies versucht Ethereum künftig mit einem „Proof of Stake“ Algorithmus zu erreichen. Eine anderer interessanter Ansatz ist der des Tangles, wie er von IOTA verwendet wird. Der Tangle ist dabei eine Lösung ohne Blöcke und ohne Chain und kommt mit deutlich weniger Energiebedarf pro Transaktion aus. (Dr. Ingo Fiedler)
Q: Ponton, Enerchain & Co mischen ein Oligopol auf (nur 4 Übertragungsnetzbetreiber und 4 Energieeezeuger in Deutschland). Auf welche Widerstände treffen Sie?
Widerstände gibt es bzgl. des Handels weniger bei Netzbetreibern, sondern bei den Börsen und Brokern, deren Geschäft durch den P2P-Handel bedroht ist. (Dr. Michael Merz)
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Referent Finanzwirtschaft Handelskammer Hamburg
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