Der Autor:

Prof. Dr. Patrick C. Leyens,
Gewinner des Finanzkompasses 2015

Ein verlässlicher Finanzplatz sollte auf ein ausgewogenes Informationsgefüge setzen und unternehmensinterne
wie -externe Mechanismen der Informations-verarbeitung einbeziehen.

Eigen- wie Fremdkapitalfinanzierungen sind heute von den Beurteilungen privater Informationsdienstleister abhängig. Diese Marktzugangskontrolle birgt allerdings rechtliche Risiken. In Zusammenschau von Abschlussprüfung, Bonitätsrating und Finanzanalyse werden die Regelungsaufgaben zwischen Haftung, Berufsrecht und Regulierung erkennbar.

 

Die Beurteilungen von Informationsintermediären wie Abschlussprüfern, Ratingagenturen und Finanzanalysten wirken sich auf die Kapitalkosten der Unternehmen aus. Faktisch entscheiden die privaten Informationsanbieter über den Kapitalmarktzugang der Unternehmen. Die hier genannten Informationsdienstleister stehen stellvertretend für eine sich ständig weiterentwickelnde Corporate-Governance-Industrie, zu der auch Stimmrechts- und Vergütungsberater
zählen. In der internationalen Forschung gelten die Intermediäre als Kontrolleure des Marktzugangs, sogenannte Gatekeepers. Mit Formen der privaten Marktzugangskontrolle verbinden sich Chancen, aber auch Risiken. Auf die
immer wieder enttäuschten Erwartungen – zuletzt in der Finanzmarktkrise 2008 – reagieren Gesetzgeber zumeist mit eilig geschnürten Reformpaketen. Genannt sei nur die 2009 erlassene und seitdem mehrfach geänderte EU-Rating-
Verordnung. Doch die Grundsatzfragen der privaten Marktzugangskontrolle sind weitgehend unerschlossen. Die hier vorgestellte Untersuchung soll dazu beitragen, die ökonomischen, regulierungstheoretischen und rechtlichen Diskussionsstände zusammenzuführen und an den Schnittstellen von Haftung, Berufsrecht und Regulierung fortzuentwickeln.

Intermediäre gewinnen an Einfluss
Für deutsche Finanzplätze wie den der Hansestadt Hamburg gewinnt das Thema zunehmend an Bedeutung. Seit der Jahrtausendwende erkennen Ökonomen einen Übergang der vormals auf kleine Gruppen setzenden  Informationsverarbeitung innerhalb der sogenannten Deutschland AG auf ein marktgesteuertes System der
Informationsverarbeitung. Daraus erklärt sich das neue Risiko eines übermäßigen Vertrauens in die Intermediäre. Mittlerweile fließen Bonitätsratings, ähnlich wie Abschlussprüfertestate oder (schwächer) Empfehlungen der Finanzanalysten, in die für die Haftung von Geschäftsleitern maßgebliche Informationsgrundlage ein (§ 93 AktG).
Kurzfristig ist dieser Einfluss durch von der EU nachgeahmte Vorstöße des US-amerikanischen Rechts kaum  aufzulösen. Auch erschiene die Alternative wenig überzeugend: Sollen die besonders kritischen Beurteilungen abschließend durch bankinterne Abteilungen erledigt werden dürfen, obwohl die Risikobereitschaften der Institute
gerade infolge unmittelbarer Ertragschancen besonders hoch ausfallen können?

Ein verlässlicher Finanzplatz sollte auf ein ausgewogenes Informationsgefüge setzen und dabei unternehmensinterne, aber auch -externe Mechanismen der Informationsverarbeitung einbeziehen. Intermediärbeurteilungen unterliegen
allerdings einer systematischen Schwäche: Verabredet werden sie zumeist mit dem Emittenten, von den Folgen sind außenstehende Anleger betroffen. Zwar ist im US-amerikanischen Recht noch verwurzelten Vorstellungen entgegen auch für Ratings und Finanzanalysen eine vertragliche Pflicht des Intermediärs auf die verkehrsübliche Sorgfalt anzunehmen (Stiftung-Warentest-Rechtsprechung des BGH). Damit ist aber bestenfalls ein reflexartiger Schutz der Investoren zu gewährsleisten.

Regelungsverantwortung übernehmen
Einer Haftungsausdehnung wird ähnlich wie in den USA oder im Vereinigten Königreich insbesondere bei der Abschlussprüfung mit Zurückhaltung begegnet. Paradigmenwechsel sind denkbar. Ein erster Paukenschlag war die
Verurteilung einer Ratingagentur wegen fahrlässiger Vermögensschädigung in Australien im Jahr 2014. Soll der Markt auf Wahrscheinlichkeitsurteile insbesondere der Finanzanalysten nicht verzichten müssen, darf das Haftungsrecht
nicht übersteuern. Ersatzfähig sein sollte lediglich die Differenz zwischen Börsenkurs mit/ohne Intermediationsfehler. Beweiserleichterungen erscheinen sinnvoll, sind aber durch Haftungshöchstsummen der Intermediäre zu  komplementieren, die derzeit allein für den Abschlussprüfer vorgesehen sind (§ 323 HGB).

Insgesamt ist festzuhalten, dass die rechtliche Durchdringung von Rating und Finanzanalyse erst am Anfang steht. Die Qualitätssicherung wird wie bei der Abschlussprüfung auch auf berufsrechtliche Pflichtenausformungen bauen
müssen. Als ratsam erweisen sich einstweilen regulatorische Konkretisierungen der für sämtliche Intermediäre in der einen oder anderen Form vorgesehenen Pflichtentrias aus Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit als ratsam.

Das übergreifende Petitum der hier vorgestellten Untersuchung geht dahin, die private Informationsintermediation
als Teil einer offenen Wirtschaftsordnung aufzufassen. Daraus folgt zugleich eine Regelungsverantwortung, die nicht
erst kriseninduziert erkannt werden darf.

Der Text ist dem Jahrbuch 2016/17 des Finanzplatz Hamburg e.V. entnommen.

 

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