Where goes Krypto?
Bei unserer Mitgliederversammlung im April fanden die Ausführungen von Moritz Schildt zur Entwicklung von Krypto-Assets bereits großes Interesse. Anlass genug zu fragen: Where goes Krypto, Moritz Schildt? Hier skizziert der Vorstand und Geschäftsführende Gesellschafter der NordIX AG, der zudem Mitglied im Vorstand des Hanseatic Blockchain Institute e.V. ist, seine Einschätzungen zur weiteren Entwicklung.
Finanzplatz Hamburg (FPH): Wann werden Krypto Assets und Blockchain Technologie eine ähnliche Durchdingung erreichen wie das Internet?
Moritz Schildt (MS): Auf alle Fälle oder im Gegenteil: Das Internet wird durch die Blockchain-Technologie deutlich mehr Anwendungsmöglichkeiten erhalten. Blockchain ist keine Konkurrenz oder Alternative zum Internet, durch die Blockchain Technologie bekommt das Internet quasi eine zusätzliche Funktionalität, die eine enorme Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten mit sich bringt.
In der Anfangsphase des Internets, dem Web 1.0 konnte man dort nur Informationen abrufen, also etwa Bilder oder Videos ansehen. Im Web 2.0 entstanden Plattformen, weil man auch Informationen speichern und Transaktionen initiieren konnte, Buchungsplattformen und Social Media Netzwerke haben seinerzeit zu einer deutlichen Steigerung der Internetnutzung geführt. Die Blockchain ist die technische Grundlage für das Web 3.0, ein Internet indem wir nicht nur Transaktionen anstoßen, sondern sie auch abwickeln und durchführen können. Während heute die Bestellung in einem Online-Shop oder der Kauf eines Wertpapiers zwar über das Internet ausgelöst werden kann, so brauchen wir bisher für die Durchführung, also für die Bezahlung oder auch die Übertragung des Wertpapiers noch einen Intermediär in Form eines Zahlungsdienstleisters oder einer Bank. Wenn wir jetzt aber über die Blockchain digitales Vertrauen und echte Wertversprechen digital übertragen können, entstehen zahllose neue Möglichkeiten. Das Web 3.0 wird ein Turbo für die Digitalisierung gerade im Finanzsektor sein und könnte sich dort ähnlich disruptiv auswirken, wie sich das Web 2.0 bei Reisebüros und Buchläden niedergeschlagen hat. Die Geschwindigkeit bei der Adoption von Kryptowerten, die ständig steigende Anzahl neu eröffneter Wallets legt nahe, dass die Verbreitung der Blockchain schneller sein könnte als seinerzeit die Entwicklung der Internet-Nutzer.
FPH: Welche Veränderungen können wir in den nächsten 10 Jahren durch Krypto Assets erwarten?
MS: Aktuell wird Kryptowert noch weitgehend als Synonym für Bitcoin und andere Kryptowährungen verwendet. Es ist jedoch eine Sammelbezeichnung für jede Form digitaler Assets, die auf einer dezentralen Datenbank eingetragen oder zugeordnet werden. Wir werden schon innerhalb der nächsten Monate immer mehr Anwendungsfälle sehen, in denen zunächst elektronische Wertpapiere nicht mehr auf Papier existieren, sondern in digitalem Format innerhalb von Sekunden übertragen werden können, ohne dass ein Gegenpartei-Risiko besteht. Auch Derivate und Darlehen werden künftig auf solchen digitalen Plattformen abgewickelt und die Besicherung bzw. das Margining erfolgt über einen sogenannten “Smart Contract” der sicherstellt, dass die Verwertung von Sicherheiten unverzüglich erfolgen kann, wenn eine Besicherungsgrenze nicht eingehalten wird. Wir werden Darlehen sehen, die teils nur für wenige Sekunden valutieren und werden uns an Versicherungsverträge gewöhnen, die den Versicherungsfall selbst erkennen und automatisch die Leistung auszahlen.
Auch außerhalb der Finanzindustrie werden wir viele Veränderungen sehen, ich bin davon überzeugt, dass alle Dokumente, die heute mit einer Unterschrift, einem Siegel oder einem Stempel authentifiziert werden, also Zeugnisse, Zertifikate und Urkunden künftig rein digital verifiziert werden, wie auch die Identifikation von Personen über die Blockchain erfolgen wird. Grundsätzlich ist die blockchainbasierte Internet auch die richtige technologische Basis, um die Integrität von Gesundheitsakten oder die Echtheit von Kunstwerken sicherzustellen oder die Vertrauenswürdigkeit der Datenbasis nachzuweisen, mit der ein Anbieter von künstlicher Intelligenz sein System geschult hat.
Wir haben kürzlich Anteile eines Fonds tokenisiert, es gibt damit keine Globalurkunde mehr und die Anlageaktien können direkt in der Wallet des Anlegers eingebucht werden. Die Technik ist vorhanden und funktioniert, die Vorteile liegen auf der Hand, jetzt fehlt nur noch die breite Massenadapation.
FPH: Welche Risiken sind deiner Meinung nach in der Krypto Debatte überrepräsentiert und welche Sicherheitssysteme gibt es bereits? Du hattest die Durchdringung in Frankreich erwähnt und die dazu im Kontrast stehende Skepsis der Deutschen. Der Vergleich mit der Dotcom Blase erscheint sehr passend einige Vorurteile auszuräumen. Gib uns gerne einen regulatorischen Ausblick und wäge ab, was bereits gut läuft und was schlecht.
MS: Als größte Hürden sehe ich vor allem Berührungsängste mit einer neuartigen Technologie, erst danach die Sorge vor vermeintlich fehlender Regulierung und schließlich die historisch hohe Volatilität.
Im Einzelnen:
Die Vorstellung, dass man seine Kapitalanlagen und Wertpapiere künftig nicht mehr bei einer Bank verwahrt, sondern in Form von digitalen Assets im Netz liegen hat, ist für viele Nutzer traditioneller Strukturen ein großer Schritt. Viele Teilnehmer das klassischen Kapitalmarktes stufen Kryptowerte noch immer als Teufelszeug ein und betrachten den Bitcoin als Instrument für Geldwäsche, weil sie die Technologie und die Logik nicht verstanden haben. Vergleichbare Vorbehalte gab es bei der Einführung des Automobils und bei der Ablösung des Faxgerätes durch die E-mail. Eine junge Generation, die heute schon ihre Steuererklärung auf dem Handy erstellt, wird uns helfen, die Vorteile der neuen Technologie zu verstehen und sie so einzusetzen, dass wir die Risiken im Griff behalten.
Wer sich um mangelnde Regulierung sorgt, kann zumindest in Deutschland und Europa definitiv aufatmen. Die Ende 2024 in Kraft tretende EU-Verordnung “Markets in Crypto Assets Regulation” (MiCaR) schafft einen EU-weiten Rechtsrahmen für die Auflegung von Kryptowerten und die Erbringung von Dienstleistungen in diesem Zusammenhang, die sich weitgehend an den Regeln für Wertpapiere orientiert. Es gibt zahlreiche Zulassungs- und Informationspflichten, die den Vorwurf fehlender Regulierung jedenfalls für Europäische Anbieter weitgehend in den Hintergrund treten lässt.
Soweit jemand Angst vor der hohen Volatilität des Bitcoins hat, so hat das nicht unmittelbar mit dem digitalen Format des Bitcoin zu tun. Der Wert des Bitcoin ist in den letzten 10 Jahren stärker gestiegen, als jede andere Anlageform, aber eben nicht in einer starren Linie, sondern mit hohen Schwankungen – das schlägt sich in der hohen Volatilität nieder. Wichtig ist, das die Assetklasse der Kryptowerte eine geringe Korrelation zu den traditionellen Kapitalmärkten aufweist, das Risiko-Rendite Profil eines klassischen Depots verbessert sich also durch eine kleine Beimischung von Kryptowerten. Wir empfehlen – sofern die Risikobereitschaft vorhanden ist - grundsätzlich eine kleine Beimischung von 2 bis 5% und raten zu einem diversifizierten Portfolio aus verschiedenen Kryptowerten.
FPH: Das Interesse an Krypto-Produkten vorausgesetzt, wo kann man sich informieren und was sind sinnvolle erste Schritte?
MS: Man kann sich online auf einschlägigen Websites, in Foren und auf sozialen Medien umsehen, um grundlegende Informationen über Kryptowerte zu erhalten. Des Weiteren bieten Bücher, Videos und Podcasts eine gute Möglichkeit, um sich tiefergehendes Wissen anzueignen. Leider existieren auch viele unseriöse Anbieter, die “reich mit Krypto” versprechen und damit ahnungslose Anleger anlocken.
Wer über eine nennenswerte Allokation in ein Portfolio von Kryptowerten nachdenkt, sollte sich gut mit der Technik auskennen und eigenes Research betreiben oder sich an einen professionellen Produktanbieter wie etwa die coinIX wenden.
Davon unabhängig empfehle ich jedem, einmal mit kleinem Geld eine eigene Wallet anzulegen, einige coins zu erwerben und einmal selbst innerhalb der Familie oder im Freundeskreis auszuprobieren, wie es sich anfühlt, wenn man Vermögenswerte genauso einfach und schnell übertragen kann, wie man heute eine Whatsapp versendet. In Hamburg gibt es bereits seit 2019 das Hanseatic Blockchain Institute, einen Verein der regelmäßige Events und Workshops veranstaltet und Aufklärung zu Blockchain und Krypto bietet. Für 2024 ist geplant, gemeinsam mit dem Finanzplatz Hamburg e.V. einen Workshop unter dem Arbeitstitel “My first Wallet” durchzuführen, bei dem wir einen Einstieg in die Welt der digitalen Assets ermöglichen wollen. Interessenten können sich gern unter team@blockchaininstitute.eu melden.
FPH: Vielen Dank für die ausführlichen Einschätzungen!